Mehr als nur ein trag­ba­res Kla­vier

Mit 40 Jah­ren ist das Akkor­de­on-Orches­ter eigent­lich noch ein recht jun­ger Ver­ein. Aber die Akkor­de­on-Tra­di­ti­on in Rom­mels­hau­sen reicht wei­ter zurück, schon in den 30er Jah­ren gab es den Har­mo­ni­ka­club Edel­weiß. Aller­dings ist genau betrach­tet auch das Akkor­de­on selbst als Instru­ment noch jung.

Die­ser Mon­tag­abend ist ein lau­er, schö­ner Mai­abend in Rom­mels­hau­sen und da pas­sen die Klän­ge im Ver­samm­lungs­raum des Feu­er­wehr­hau­ses ganz wun­der­bar: Dort klingt es näm­lich nach Mit­tel­meer. Das Akkor­de­on-Orches­ter hat Pro­be, auf dem Pro­gramm steht das Lied „Bis­ca­ya”, und von den 21 Akkor­deo­nen im Raum schwin­gen die Töne wie ein sanf­ter Wel­len­gang, dass der Zuhö­rer sich leicht an den Golf von Bis­ka­ya träu­men kann.
Die Orches­ter-Mit­glie­der sind kon­zen­triert auf ihre Noten­blät­ter. Es ist die Gene­ral­pro­be vor dem Jubi­lä­ums­auf­tritt am heu­ti­gen Frei­tag. Bis dahin müs­sen die Noten, Tem­pi und Stim­mun­gen sit­zen. Ganz ver­schie­den sind die­se Stim­mun­gen. Wäh­rend „Der Bar­bier von Sevil­la” ganz medi­ter­ran daher­kommt wie „Bis­ca­ya”, klingt „Mor­gens um halb sie­ben” eher nach Ham­bur­ger Hafen­ro­man­tik und „Leicht bes­wingt”, das swingt, wie der Name sagt.
„Das Akkor­de­on ist ein sehr viel­sei­ti­ges Instru­ment”, sagt der Vor­sit­zen­de Jochen Hauß­mann, selbst Mit­glied des Ers­ten Orches­ters. „Es deckt die gan­ze Palet­te der Musik ab, es ist nicht nur ‚Schif­fer­kla­vier’, son­dern kann alles von klas­sisch über Jazz bis modern.” Frü­her war das noch ein biss­chen anders, wie sich der Ehren­vor­sit­zen­de und Grün­dungs­mit­glied Wal­ter Hess erin­nert. „Frü­her haben wir Wal­zer, Marsch und Pol­ka gespielt”, sagt er. Da habe sich die Palet­te ganz schön erwei­tert. „Aber lei­der ist das Akkor­de­on immer noch nicht als klas­si­sches Instru­ment aner­kannt.”

Baden-Würt­tem­berg ist das Land mit den meis­ten Akkor­de­on-Ver­ei­nen

Als Hess mit der Musik anfing, gab es noch gar nicht die Akkor­deo­ne, die heu­te in Gebrauch sind. Damals spiel­ten sie — in Rom­mels­hau­sen im Har­mo­ni­ka­club Edel­weiß ‑noch auf dia­to­ni­schen Hand­har­mo­ni­kas. „Das Kla­vier des klei­nen Man­nes”, so cha­rak­te­ri­siert Diri­gent Wal­ter Krebs die Instru­men­te. Man muss­te zum Spie­len kei­ne Noten lesen kön­nen, die Nota­ti­on war in Sym­bo­len ver­fasst. Hoh­ner in Tros­sin­gen ent­wi­ckel­te die Hand­har­mo­ni­ka dann in Deutsch­land bis Mit­te der 30er Jah­re zum heu­te gebräuch­li­chen Akkor­de­on wei­ter. Von Tros­sin­gen aus hat es sich ver­brei­tet. „Noch heu­te sitzt etwa die Hälf­te der Akkor­de­on-Orches­ter, etwa 600, in Baden-Würt­tem­berg”, sagt Jochen Hauß­mann.

Seit Grün­dung hat sich das Römer Akkor­de­on-Orches­ter ste­tig erwei­tert. Neben dem Ers­ten Orches­ter gibt es heu­te eine Mund­har­mo­ni­ka-Grup­pe, ein Jun­ges Ensem­ble, meh­re­re Melo­di­ka-Grup­pen, die „Musik­mäu­se” für Kin­der von null bis fünf und Unter­richt für ver­schie­de­ne Instru­men­te, auch Kla­vier und Schlag­zeug.
Akkor­de­on­spie­len, das ist auch bei heu­ti­gen Kin­dern und Jugend­li­chen nicht unbe­dingt out, fin­det Wal­ter Hess. Es gebe halt die übli­chen Pro­ble­me, sie im „kri­ti­schen Alter” zwi­schen 14 und 15 zu hal­ten. „Da hat mein Sohn damals auch plötz­lich gesagt: Ich geh nicht mehr mit”, erin­nert sich Hess. Aber er hat ihn dann trotz­dem wei­ter „ani­miert”. Und heu­te sei Sohn Rai­ner froh drü­ber. Immer­hin spielt er immer noch im Ver­ein. Und die Enke­lin­nen, mit sechs und zehn Jah­ren, sind auch schon dabei.
Auch Jochen Hauß­mann, der jetzt seit 15 Jah­ren den Vor­sitz des Ver­eins führt, fin­det das Akkor­de­on zeit­los. Eben wegen sei­ner Viel­falt, und: „Man kann’s im Gegen­satz zum Kla­vier über­all mit hin­neh­men. 

 

  • Kon­takt zum Akkor­de­on-Orches­ter: Jochen Hauß­mann, Tele­fon 0 71 51/4 66 15

Quel­le: WKZ vom 13.05.2011