Die Besten kamen nach Stetten
Landesmusiktag der Akkordeonjugend Baden-Württemberg, das heißt: Schweißperlen auf der Stirn, Lampenfieber vor dem Auftritt, strahlende Gesichter und Freude hinterher. Für die federführenden Vereine vor Ort war viel zu organisieren am 10.10.2009. Die Zuhörer genossen Akkordeonstücke von klassisch bis modern, von Solo bis Kammermusik.
„Unser E‑Mail-Postfach ist täglich übergelaufen”, sagt Nicole Vollmer vom Hand-Harmonika Orchester (HHO) Stetten. Die Wertungsspiele der Teilnehmenden und ihrer „Fans” wollen organisiert sein. Den ganzen Samstag über betreten Eltern und Kinder mit Instrumentenkoffern die Karl-Mauch-Schule, erkundigen sich nach den Räumen, erfragen den Zeitpunkt des Auftritts oder wärmen sich mit Kaffee und Tee auf. Große Teile der Organisation, die Koordination des Rahmenprogramms sowie die Bewirtung mit schwäbischen Schmankerln und Getränken, Kaffee und Kuchen obliegen dem HHO Stetten und dem Akkordeonorchester Rommelshausen.
60 Helfer sind eingespannt. Im Januar begannen die Planungen, in die auch viele Jugendliche einbezogen worden seien, so Nicole Vollmer. Dies sei einer der Gründe dafür, dass keine Kinder aus den Kernener Akkordeonvereinen bei den Wertungsspielen vertreten sind. „Sie sind beim Rahmenprogramm oder als Regiehelfer eingeteilt”, erzählt Vollmer, die es für einen solchen Tag wichtig findet, dass Kinder die Ansagen der Stücke und die Vorstellung der Interpreten übernehmen. „Ist doch schöner und bringt Lockerheit rein, wenn nicht immer die Erwachsenen sprechen und moderieren.” Lockerheit, das können die jungen Akkordeonisten gut gebrauchen. Könnte man meinen.
Doch Lampenfieber haben häufig nicht sie, die vor Publikum Nervenstärke zeigen und spielen müssen, sondern die Eltern. „Total nervenaufreibend” sei der Tag für sie, sagen Doris und Hans-Martin Faß, die Eltern der 12-jährigen Theresa aus Denkendorf. Ihr macht es hingegen gar nichts aus. „Mir macht es riesig Spaß”, sagt Theresa, die als Duo mit der Freundin Carola (Querflöte) mit zwei Sätzen aus der Spielzeug-Suite auf dem kammermusikalischen Programm steht. Das Stück habe der Lehrer ausgewählt, in Abstimmung mit den beiden. Bis zur Wettbewerbsreife mussten sie viel intensive Probenarbeit investieren, aber der Wettbewerb sei eine positive Erfahrung: „Musikalisch sind sie während der Vorbereitungsphase ein gutes Stück weitergekommen”, erzählt Doris Faß.
Ein Ansporn zum Üben
Eine groß gewachsene junge Frau stürmt aus einem der Klassenzimmer. Zehn hochkonzentrierte Minuten liegen hinter Melanie Schittenhelm aus Seitz, in denen sie ihre Interpretation von „Gavotte et Doubles” von Jean-Philippe Rameau zum Besten gab. „Ich kann nicht mehr”, sagt sie erschöpft und erleichtert. Aufgeregt sei sie nur am Anfang, erzählt die 16-jährige Akkordeonschülerin, die als eine von 30 Musizierenden mit der Note „Hervorragend” ausgezeichnet wurde. „Das legt sich nach der ersten Seite.” Einen „Crash-Kurs” habe sie hinter sich, in dem sie täglich eisern und viel geübt habe. „Ich habe eines der beiden Stücke erst vor vier Wochen bekommen”, sagt sie.
Trotzdem: Sie würde es wieder tun. „Weil es ein Ansporn zum Üben ist.” Das häufig als „quälend” empfundene, stundenlange Üben im stillen Kämmerlein bekomme eine andere Qualität, sobald es um etwas geht ‑und sei es auch nur darum, sich im freundschaftlichen Sinne „mit anderen zu messen”, wie Andreas Geiss, der Landesjugendleiter der DHV-Akkordeonjugend, erläutert. „Es geht nicht darum, Konkurrenzsituationen zu erzeugen.Vielmehr stünden das gemeinsame Spiel und die Freude am Musizieren im Vordergrund. Viele merken, wenn sie auf ein Ziel hinarbeiten, dass das Üben viel Spaß macht”, sagt Nicole Vollmer. Jeder erhält eine Auszeichnung.
Die mit der Note „Hervorragend” bewerteten Akkordeonisten bekommen einen Pokal. Viele von ihnen trauen sich Andreas Geiss zufolge mit der wacker erspielten Prämierung im Rücken dann auch eher zu, sich anschließend an der Ausschreibung für den Deutschen Akkordeon-Musikpreis zu beteiligen. Der Landesmusiktag fungiere für viele auch als „Mutmacher”. „Sie sehen, wo sie stehen”, so Geiss.
Landesmusiktag 2009 setzt Impulse
Neben den Wettbewerbsvorträgen bot der Landesmusiktag dieses Jahr allen Teilnehmern und Besuchern die Möglichkeit, sich beim „Studiokonzert mit Tobias Escher” auch über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten einer Loop-Maschine zu informieren. Begeisterten Applaus spendete das Publikum den Swing- und Folktiteln aus seinem aktuellen Soloprogramm „Getastet, nicht gequetscht!”
m Rahmenprogramm des diesjährigen Landesmusiktags in Kernen-Stetten gelang es auch erstmals, eine junge Bestsellerautorin für eine Lesung zu gewinnen. Antje Wagner, stellte ihren Jugendthriller Unland vor, für den sie erst im Sommer mit dem Mannheimer Feuergriffel ausgezeichnet wurde.
„Es ist mir wichtig, den jungen Menschen wieder Lust aufs Buch zu machen. Lesen, das ist doch wie Kino im Kopf! Die eigene Fantasie aber ist viel spannender als es ein Film sein kann. Und mit Unland gehe ich neue Wege in der Jugendbuchliteratur, auch mit einer zeitgemäßen Ehrlichkeit gegenüber Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren.
Beim „Golden Eye” mussten die Teilnehmer mindestens fünf Stempel aus elf Angeboten auf ihrer Stationenlaufkarte vorweisen. Große Freude herrschte, als bei der Sonderauslosung der Schirmherr und Bürgermeister der Gemeinde Kernen-Stetten, Stefan Altenberger, den jungen Gewinnern als Preis eine CD von Tobias Escher, ein von Antje Wagner signiertes Buch „Unland”, einen MP4-Player und einen Theaterhaus-Gutschein überreichte.
Die mit Spannung erwartete Preisverleihung wurde vom Ensemble des Sommerorchester 2008 musikalisch eröffnet. Anschließend begrüßte Landesjugendleiter Andreas Geiss alle Anwesenden und bedankte sich bei den vielen Helfern, dem Organisationsteam, der Jury und nicht zuletzt der Auswertungsmannschaft hinter den Kulissen. Es folgten die Grußworte von Heinz Baitinger, der im Auftrag der DHV-Landesvorsitzenden-BW Heiderose Riefler Grüße überbrachte, sowie von Bürgermeister Stefan Altenberger, der zusammen mit dem Vorsitzenden des DHV-Bezirks Staufen, Erhard Schwenk, und dem Landesjugendleiter die begehrten Urkunden, Medaillen und Pokale überreichte. Nach 45 Minuten war der Pokaltisch leer und die Bühne voller strahlender Gesichter.
Zum Vormerken:Der nächste AJ-Landesmusiktag findet am 16. Oktober 2010 in Müllheim / DHV-Bezirk Breisgau, statt. Die vollständige Ergebnisliste steht online abrufbar auf www.akkordeonjugend.de.
Jeder und jede hatte beim Wettbewerb eine Chance und erhielt eine Auszeichnung.
Ein weiterer Impuls wurde durch Tobias Escher gesetzt. Der junge Akkordeonist begeisterte im Studiokonzert durch unglaubliche Improvisationen und elektronische Verfremdung mittels einer Loop-Maschine.
Eindrucksvoll gelang es Antje Wagner bei einer Lesung aus ihrem Buch “Unland”, mit ihrer Stimme, Gestik und Mimik die Zuhörer zu fesseln.
Quelle: HI 06/2009 und WKZ, vom 12.10.2009